Die Zukunft des Bauens zu verknüpfen mit dem Einfachen im Sinne von Reduktion und Robustheit – das ist der Ansatz der Forschungsgruppe EINFACH BAUEN an der Technischen Universität München unter der Leitung von Prof. Florian Nagler.
Sechs Prinzipien des einfachen Bauens stellen das aktuelle Ergebnis ihrer Forschung dar. Sie sind anschaulich in einem Leitfaden zusammengefasst und für alle Akteure des Bausektors von Nutzen.
Die Gegenüberstellung einer Stadtwohnung mit einem Tiny House hinsichtlich Wohn- und Hüllfläche zeigt: Eine Stadtwohnung kommt bei der 4-fachen Grundfläche mit rund 50 Prozent weniger Hüllfläche aus. Einfach bauen heißt kompakt bauen, konkret:
Wie groß muss das Fenster sein, um bei unterschiedlichen Glasarten den Raum mit der gleichen Lichtmenge zu versorgen? Einfach bauen heißt zu große Fensterflächen vermeiden, konkret:
Wieviel Energie wird benötigt, um die Raumluft oder die den Raum umschließenden Bauteile zu erwärmen? Einfach bauen heißt die thermische Trägheit mitdenken, konkret:
Die Umweltauswirkung unterschiedlicher Lüftungssysteme im Vergleich macht deutlich: Zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung weisen trotz aller Vorteile unter anderem einen erhöhten Materialeinsatz auf. Einfach bauen heißt, die verbaute Technik muss in besonderem Maße langlebig sein, konkret:
Ein Blick auf die Lebensdauer der Bauteilschichten zeigt: Nach rund zehn Jahren ändert sich die Nutzung eines Gebäudes und alle 20 Jahre seine technischen Systeme. Hingegen liegt die durchschnittliche Lebensdauer der Gebäudekonstruktion bei 100 Jahren. Einfach Bauen heißt, die Zukunft des Gebäudes mitdenken, konkret:
Massivholz, Mauerwerk, Leichtbeton – jedes Baumaterial kann optimal oder weniger optimal verbaut werden. Einfach Bauen heißt, materialgerecht bauen, konkret:
Warum das Bauen einfacher werden muss? Wegen hoher Kosten und hoher Ansprüche, wegen komplizierter Vorschriften und überforderten Akteuren. So steigen die Anforderungen an den Wärme-, Brand- und Schallschutz von Gebäuden seit Jahrzehnten stetig. Neben der Optimierung von Baumaterialien wird vor allem durch den vermehrten Einsatz von technischen Anlagen versucht, die hohen Ziele zu erreichen: Energie (in Form von Heizenergie) zu sparen und den Nutzer:innen einen ganzjährigen Komfort gewährleisten.
In der Folge ist der Anteil für technische Anlagen an den Baukosten in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Die Baukostensenkungskommission der Bundesregierung kam zu dem Ergebnis, dass vor allem die Kostengruppe 400 (technische Gebäudeausrüstung) für die Kostensteigerung am Bau verantwortlich ist.
Weiterhin führt dies zu einer Vielzahl von Vorschriften und technischen Regelungen, die Planer:innen und Bauherr:innen oftmals überfordern. Fehler in Planung, Ausführung und Bedienung sind die Folge.
Vor diesem Hintergrund hat sich an der TU München der Forschungsschwerpunkt EINFACH BAUEN etabliert. Das Team aus Architekt:innen, Bau- und Umweltingenieur:innen unter der Leitung von Prof. Florian Nagler stellte sich die Frage, wie die Architektur mit baulichen Mitteln so optimiert werden kann, dass es möglichst wenig Technik bedarf, um ein angenehmes Raumklima zu erzeugen. Und sie stellte die Frage nach deren Langlebigkeit: Wie verhalten sich derart einfach gebaute Häuser im Vergleich zu Standardwohngebäuden oder Wohngebäuden in Niedrigenergiebauweise bezüglich Umweltwirkung und Lebenszykluskosten über einen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren?
Im von der Forschungsinitiative Zukunft Bau (BBSR) geförderten Forschungsprojekt »Einfach Bauen – Integrale Strategien für energieeffizientes, einfaches Bauen mit Holz, Leichtbeton und hochwärmedämmendem Mauerwerk – Untersuchung der Wechselwirkungen von Raum, Konstruktion und Gebäudetechnik« wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren grundlegende Prinzipien des einfachen Bauens untersucht.
Die entwickelten Maßnahmen hat das Büro Florian Nagler Architekten an drei Forschungshäusern aus Massivholz, Mauerwerk und Leichtbeton in monolithischer Bauweise umgesetzt. Anhand dieser exemplarischen Wohngebäude erklärt der Leitfaden die sechs Prinzipien, die sich aus der Arbeit der Forschungsgruppe EINFACH BAUEN ableiten.
Den Autor:innen ist bewusst, dass sie mit dem Leitfaden kein allgemeingültiges Gebäudekonzept liefern können. Vielmehr wollen sie einen Anstoß zu einem iterativen Prozess geben, der jedes Mal einfacher, nachhaltiger und optimierter – kurz gesagt ganzheitlicher – wird.
Einfach zu bauen bedeutet, die Umwelt über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden hinweg zu schonen. Das Ergebnis sind Wohngebäude, die einfach zu bauen und einfach zu nutzen sind.