Suffizientes Bauen und Wohnen

Veröffentlicht am 09.08.2023
Dieses Wissen wurde gestiftet von:
Patrick Zimmermann für ara und BTU
ara – atelier regenerative architecture
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Kuratiert von Dr. Anna Braune

Neben Effizienz und Konsistenz braucht es Suffizienz-Maßnahmen, um Klimaneutralität zu erreichen. Das heißt: weg von “Viel hilft viel” und hin zu einem maßvollen, also suffizienten Umgang mit Ressourcen.
Mit Hilfe der „Bewertungsmatrix Suffizienz für Wohngebäude“ können Sie die wesentlichen Suffizienz-Eigenschaften während des Planungsprozesses bestimmen und optimieren. Der kostenlose Download umfasst sieben Themenfelder mit 23 Kriterien und 58 Indikatoren. Ergänzt wird es um eine ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellte Übersicht.

Bei der Entwicklung des Kriterien-Sets standen eine möglichst objektive Bewertbarkeit bzw. Quantifizierbarkeit sowie die Handhabbarkeit im Planungsprozess im Fokus, weshalb an vielen Stellen auf bestehende Bewertungsmethoden aus den Zertifizierungssystemen DGNB und NaWoh zurückgegriffen wird. Übersicht und Matrix entstanden im Rahmen einer Masterarbeit zum Thema „Bewertbarkeit und ökobilanzieller Einfluss von Suffizienz in Gebäudebereichen“, eingereicht von Patrick Zimmermann an der TU München, 2018.

Hintergrundwissen

Der Handlungsdruck im Gebäudesektor zur Erreichung der Klimaneutralität und weiterer Nachhaltigkeitsziele ist enorm. Bisher konzentrierten sich die Bestrebungen in Politik, Forschung und Praxis auf bessere Wärmedämmung (Effizienz) und den Einsatz von erneuerbaren Energien sowie nachwachsende Rohstoffe (Konsistenz). Diese rein technischen Strategien reichen jedoch nicht aus.

Rebound-Effekte fressen Effizienz und Konsistenz auf

Es sind unter anderem Rebound-Effekte, die die Wirksamkeit der technischen Strategien mindern. Seit Jahrzehnten steigt beispielsweise die Pro-Kopf-Wohnfläche [1] aufgrund kleinerer Haushalte, mehr Eigentum und dem Empty Nest-Effekt. Wie die untenstehende Grafik zeigt, kompensiert der erhöhte Raumbedarf die durch Effizienz und Konsistenz erzielten Einsparungen [2].
Dazu kommt: Die beiden technischen Lösungsstrategien werden nicht ambitioniert genug umgesetzt und die Zeit zur massiven Reduktion der Treibhausgasemissionen drängt mittlerweile so sehr, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen.

Raumwärmebedarf in KWh pro Kopf und Jahr: Seit Jahren nimmt die Wohnfläche pro Kopf in Deutschland zu (blaue Linie). Dies erschwert das Einsparen von Wärme trotz bspw. Wärmedämmung. Bildquelle: Wuppertal Institut

Suffizienz setzt auf Verhaltensänderung

Als komplementäre Ergänzung der technischen Strategien kommt die Suffizienz ins Spiel. Sie setzt auf Verhaltensänderungen, „die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern“ [3]. Ziel ist eine absolute Minimierung der ökologischen Auswirkungen bei angemessener Lebensqualität.

Achtung

Rein technische Energieeinspar-Strategien reichen nicht aus. Wir müssen unsere Ansprüche und unser Verhalten anpassen. Und mit den Ressourcen maßvoll umgehen. Die gute Nachricht: Suffizienz kann jeder!

Für den Gebäudebereich „bedeutet das vor allem einen wertschätzenden, bedürfnisorientierten und umweltschonenden Umgang mit dem Vorhandenen, das heißt Flächen, stofflichen und natürlichen Ressourcen sowie bestehender Bausubstanz“ [4].

Entscheidungskaskade: Bestandserhalt vor Neubau

„Daraus folgt, dass es eine Entscheidungskaskade geben muss. Diese sieht in der 1. Stufe Bestandserhalt und -erneuerung vor. Erst wenn die objektiv nachgewiesenen funktionalen, energetischen und gestalterischen Anforderungen nicht mehr im erneuerten Bestand erfüllt werden können, wird es in einer 2. Stufe um eine Bestandserweiterung gehen können. Und erst, wenn auch eine Bestandserweiterung den genannten Anforderungen nicht genügen sollte, kann in einer 3. Stufe in Zukunft ein Neubau als „ultima ratio“ stehen“ [5].

Fazit

Selbst wenn die technischen Ansätze der Effizienz und Konsistenz konsequent ausgeschöpft wären: Die Klimaneutralität im Bausektor wird damit allein nicht erreicht. Ohne eine Änderung der Ansprüche und eine höhere Wertschätzung gegenüber dem Vorhandenen geht es nicht. Suffizientes Handeln bedeutet nicht Verlust von Lebensqualität, sondern eine Änderung der Prioritäten.

Weiterführende Informationen:

Legende
[1] Destatis (2021b): Gesellschaft und Umwelt – Wohnen [2] Wuppertal Institut (2015): Raumwärmebedarf in KWh pro Kopf und Jahr [3] Fischer, C., & Grießhammer, R. (2013): Mehr als nur weniger. Suffizienz: Begriff, Begründung und Potentiale. Öko-Institut Working Paper 2/2013, S. 10. [4] Over, Zimmermann, Brischke (2021): Wie muss man bauen, um suffizientes Wohnen zu ermöglichen? [5] Deutscher Städtetag (2021): Nachhaltiges und suffizientes Bauen in den Städten
Bewertbarkeit und ökobilanzieller Einfluss von Suffizienz im Gebäudebereich
Masterarbeit von Patrick Zimmermann
Webinar: Suffizienz
Architects for Future Veröffentlicht am 6. Dezember 2020
26. Interdisziplinäre Wissenschaftliche Konferenz Mittweida, 2021:
Wie muss man bauen, um suffizientes Wohnen zu ermöglichen? Over, Zimmermann, Brischke (2021)
Video: “Wie muss man bauen, um suffizientes Wohnen zu ermöglichen?”
Vortrag im Rahmen der 26. Interdisziplinären Wissenschaftlichne Konferenz Mittweida, 2021
Nachhaltiges und suffizientes Bauen in den Städten
Quelle: Deutscher Städtetag; veröffentlicht 2021
Flächensparend Wohnen
Publikation des Umweltbundesamts: Energieeinsparung durch Suffizienzpolitiken im Handlungsfeld „Wohnfläche“. Veröffentlicht 2019
Forschungsprojekt SuPraStadt
Lebensqualität, Teilhabe und Ressourcenschonung durch soziale Diffusion von Suffizienzpraktiken in Stadtquartiere
Forschungsprojekt OptiWohn
Den städtischen Wohnraummangel zu lösen ist eine gesellschaftliche Frage, denn die Verteilung von Wohnraum in unseren Städten ist in eine Schieflage geraten. Aber auch Architektur und Stadtplanung werden durch den immensen Druck auf die Städte vor große Herausforderungen gestellt. Die gebaute Stadt muss neu gedacht und umgebaut werden, wenn Städte sich ressourcenschonend entwickeln sollen. Im Projekt OptiWohn wird sich diesen Themen angenommen.
Forschungsprojekt LebensRäume
Ein Projekt von Öko-Institut e.V.; Institut für angewandte Ökologie

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Patrick Zimmermann
Die vorliegende Suffizienz-Bewertungsmatrix für Wohngebäude wurde von Patrick Zimmermann während seiner Masterarbeit im Studiengang M. Sc. Energieeffizientes und Nachhaltiges Bauen an der TU München entwickelt. Das ara – atelier regenerative architecture (Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, Prof. Dr-Ing Susan Draeger), Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit regenerativen Gebäuden und Siedlungsstrukturen. Diese gehen über das Niveau eines mit nachhaltigen Kriterien geplanten Gebäudes hinaus, indem sie unsere Umwelt verbessern. Sie sind in die natürliche Umgebung integriert und so konzipiert, dass sie beschädigte Ökosysteme wieder herstellen können. Das atelier regenerative architecture geht gemeinsam mit den Studierenden den Fragen nach, wie regenerativ entworfen werden kann und wie der Wandel dorthin zustande kommt.

Kontaktanfragen richten Sie bitte an: Mail: patrick.zimmermann@b-tu.de Web: https://www.b-tu.de/fg-entwerfen-energieeffizientes-bauen/