Augen auf bei der Lieferkette

Veröffentlicht am 23.07.2023
Dieses Wissen wurde gestiftet von:
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
Kuratiert von Dr. Anna Braune

Holz, Naturstein, Beton, Metall, Glas: Produkte aus diesen Werkstoffen sind keinesfalls per se „grün“. Die Rohstoffe werden oft unter großer Beeinträchtigung der Umwelt oder unter zweifelhaften sozialen Bedingungen gewonnen, abgebaut und/oder weiterverarbeitet. Welche Umwelt- und Sozialstandards gilt es zu erfüllen? Welcher Hersteller erfüllt sie? Und wie gewichten Sie die Kriterien der Lieferkette bei Ihrer Produktauswahl?

Lieferketten hinterfragen

Unsere Checkliste informiert Sie, welche ethischen und ökologischen Kriterien bei Rohstoffentnahme, Transport und Produktion zu beachten sind. Mit unserer Checkliste können Sie bei jedem Hersteller von Bauprodukten strukturiert und kritisch nachfragen, die Kriterien abwägen und Ihre Prioritäten selbst festlegen.

Herstellerzertifikate und Produktlabels

Eine wichtige Orientierung geben Herstellerzertifikate und Produktlabels für Bauprodukte, die ethische und ökologische Kriterien bei Rohstoffentnahme, Transport und Produktion beachten. Sie helfen, definierte Umwelt-und Sozialstandards auch in der globalisierten Welt durchgängig einzuhalten.

Allgemeine Informationen

  • Produktgruppe: Beton
  • Zertifizierungsstufe Label: Silber oder höher
  • Anerkannt für: Kriterium ENV1.3 Indikator 1 Qualitätsstufe 1.2
  • Zusätzliche Voraussetzungen: -
  • Zusätzlich erforderliche Nachweise: Nachweis Lieferschein (mit Projektbezeichnung) und der CSC-Zertifikatsnummer
  • Gültigkeit: 01.12.2023
Mehr Informationen erhalten Sie durch das Klicken auf das Bild.

Allgemeine Informationen

  • Produktgruppe: Verlegewerkstoffe
  • Zertifizierungsstufe Label: Zertifiziert
  • Anerkannt für: Kriterium ENV1.2
  • Zeile: (Die Anerkennung bezieht sich vorerst ausschließlich auf Emissionseigenschaften von Bauprodukten der benannten Zeile. Die in der Zeile zusätzlich erforderlichen Nachweise sind weiterhin im Rahmen der Zertifizierung zu führen.): 8
  • Relevante Bauteile, Baumaterialien, Flächen: Grundierungen, Vorstriche, Spachtelmassen und Klebstoffe unter Wand- und Bodenbelägen
  • Bereich: Alle Verlegewerkstoffe, Hilfsstoffe zur Belegung von Oberflächen (Wand und Boden)
  • Anerkennung für Emissionsnachweis in Qualitätsstufe: 4
  • Gültigkeit: 01.09.2023
Mehr Informationen erhalten Sie durch das Klicken auf das Bild.

Allgemeine Informationen

  • Produktgruppe: Holz
  • Zertifizierungsstufe Label: Zertifiziert
  • Anerkannt für: Kriterium ENV1.3, Qualitätsstufe 1.3
  • Zusätzliche Voraussetzungen: -
  • Zusätzlich erforderliche Nachweise: -
  • Gültigkeit: 04.05.2023
Mehr Informationen erhalten Sie durch das Klicken auf das Bild.

Allgemeine Informationen

  • Produktgruppe: Holz
  • Zertifizierungsstufe Label: Zertifiziert
  • Anerkannt für: Kriterium ENV1.3, Qualitätsstufe 1.2
  • Zusätzliche Voraussetzungen: -
  • Zusätzlich erforderliche Nachweise: -
  • Gültigkeit: 04.05.2023
Mehr Informationen erhalten Sie durch das Klicken auf das Bild.

Allgemeine Informationen

  • Produktgruppe: Holz
  • Zertifizierungsstufe Label: Zertifiziert
  • Anerkannt für: Kriterium ENV1.3, Qualitätsstufe 2.2
  • Zusätzliche Voraussetzungen: -
  • Zusätzlich erforderliche Nachweise: -
  • Gültigkeit: 04.05.2023
Mehr Informationen erhalten Sie durch das Klicken auf das Bild.

Allgemeine Informationen

  • Produktgruppe: Holz
  • Zertifizierungsstufe Label: Zertifiziert
  • Anerkannt für: Kriterium ENV1.3, Qualitätsstufe 1.3 + Kriterium ENV1.3, Indikator 3, Innenräume, Regionalität
  • Zusätzliche Voraussetzungen: -
  • Zusätzlich erforderliche Nachweise: -
  • Gültigkeit: 20.04.2024
Mehr Informationen erhalten Sie durch das Klicken auf das Bild.

Folgende Kategorien des Labels wurden anerkannt:

  • A1. Textile floorings
  • A.2 Resilient floorings
  • A.3 Wood-based floorings, panels and doors
  • A.7 Installation products
  • A.8 Sealants
  • A.10 Resin based liquid applied floorings
  • A.11 Furniture

Details zu den jeweiligen Labels erhalten Sie hier.

Es wurden verschiedene Labels von natureplus geprüft und durch den Stifter dieses Wissenbausteins, die DGNB, anerkannt.

Details zu den jeweiligen Labels erhalten Sie hier.

Es wurden verschiedene Labels von PEFC geprüft und durch den Stifter dieses Wissenbausteins, die DGNB, anerkannt.

Details zu den jeweiligen Labels erhalten Sie hier.

Es wurden verschiedene Labels von TÜV PROFiCERT-product Interior geprüft und durch den Stifter dieses Wissenbausteins, die DGNB, anerkannt.

Details zu den jeweiligen Labels erhalten Sie hier.

Allgemeine Informationen

  • Produktgruppe: Naturstein
  • Zertifizierungsstufe Label: Zertifiziert
  • Anerkannt für: Kriterium ENV1.3 Qualitätsstufe 1.2
  • Zusätzliche Voraussetzungen: -
  • Zusätzlich erforderliche Nachweise: -
  • Gültigkeit: 20.04.2023
Mehr Informationen erhalten Sie durch das Klicken auf das Bild.

Hintergrundwissen

Aktive Einflussnahme auf die Lieferketten ist möglich

Erwiesen ist, dass das Verbraucherverhalten die Entscheidungen der Marktteilnehmer, Hersteller und deren Lieferanten positiv beeinflussen kann. Architekten sollten deshalb aktiv werden und kritisch die oft weit verzweigten und intransparenten Lieferketten und deren soziale und ökologische Auswirkungen hinterfragen.

Saubere Lieferketten beim Bau von Gebäuden gehen alle an. Sie sind ein wichtiges globales Thema. Und ganz im Sinn der Sustainable Development Goals 8 und 12: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum (SDG 8) sowie Nachhaltiger Konsum und Produktion (SDG 12).

Verbraucherverhalten beim Bauen von Gebäuden bedeutet

  • Verzicht auf bestimmte Produkte
  • Kaufentscheidungen für Produkte mit Zertifikaten, die ökologische und soziale Standards in der Lieferkette sicherstellen
  • kritisches Nachfragen bei den Herstellern, um zu signalisieren, was den Kunden, außer Qualität und Preis, noch wichtig ist

Setzen wir Produkte in Gebäuden und dessen Außenanlagen ein, deren ökologische und soziale Auswirkungen über die Wertschöpfungskette transparent sind und deren Rohstoffgewinnung und Verarbeitung anerkannten ökologischen und sozialen Standards entsprechen, unterstützen wir die Ziele der SDGs 8 und 12.

Dazu kommt: Eine verbesserte Transparenz und höhere Standards tragen dazu bei, den an der Wertschöpfungskette Beteiligten die Erkenntnisse einer verantwortungsbewussten Ressourcengewinnung zugänglich zu machen. Besonders in den Erzeugerländern kann so das Know-how über eine nachhaltige und sozioökologisch akzeptable Rohstoffgewinnung weiter ausgebaut und breiter gestreut werden. Dies wiederum wirkt ökologischen und sozialen Missständen entgegen.

Zertifikate kommunizieren „unsichtbare Attribute“

Standards, umgesetzt in Zertifikaten, können dem Verarbeiter/Endverbrauchern komplexe Informationen zum Baustoff glaubhaft vermitteln und zusichern. Sie können helfen, klare Bestimmungen und Anforderungen im internationalen Markt zu harmonisieren und durchzusetzen.
Standards unterstützen die Kommunikation „unsichtbarer Attribute“ von Rohstoffen und dienen den beteiligten Unternehmen als klare Richtlinie hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte bei der Ressourcengewinnung. „Unsichtbare Attribute“ können beispielsweise soziale oder ökologische Auswirkungen sein, die der Verarbeiter und/oder Endverbraucher anhand des Baustoffs nicht erkennen kann: die Einhaltung der Menschenrechte beim Rohstoffabbau, die Gefährdung des Grundwassers beim Abbau durch eingesetzte Chemikalien und andere.

Welche Standards zu Baustoffen gibt es?

Im Baubereich eingesetzte Produkte unterscheiden sich stark bezüglich ihrer Herkunft, der Art der Gewinnung und der Art der Weiterverarbeitung. Aktuell existieren wenige Standards, die eine umfassende Transparenz und Sicherstellung von Umwelt- und Sozialstandards stärken. Viele Unternehmen betreiben ihre Produktion nach Umweltmanagement-Standards, halten sich an soziale Mindestanforderungen oder berichten umfassend über die für ihre Produktion wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen von CSR-Berichten.

Tipp

Planer sollten frühzeitig bei der Auswahl von Baustoffen und Bauprodukten die Herkunft und Abbaubedingungen der in den Bauprodukten verarbeiteten Rohstoffe berücksichtigen und mit ihren Bauherren aktiv besprechen.

Ökologische Standards

Bei Zertifikaten (oder Labels) sollten die ökologischen Anforderungen zum Ziel haben, negative Umweltauswirkungen im Bereich der Rohstoffgewinnung und Verarbeitung zu verringern.

Folgende Themen sollen angesprochen werden:

  • Schutz und Erhalt der Biodiversität (Artenvielfalt)
  • Sicherung des Fortbestehens und Schutz von Ökosystemen (Lebensraumvielfalt) – Naturräume sollen wieder in einen, dem ursprünglichen Zustand mindestens gleichwertigen Zustand, überführt werden. Es gilt das Verschlechterungsverbot.
  • Erhalt von Schutzfunktionen von Ökosystemen (Hochwasserschutz, Trinkwasser, Lawinen, etc.)
  • Erhalt von Böden und Landschaften durch Reduktion der Flächeninanspruchnahme
  • Erhalt der Bodenqualität durch Vermeidung von biologischer, chemischer und physikalischer Bodendegradation (z. B. Bodenverdichtung, Bodenerosion, Bodenkontamination durch den Einsatz von umwelt-, gesundheitsschädlichen und gefährlichen Chemikalien)
  • Erhalt des natürlichen Wasserkreislaufs
  • Reduktion des Wasserverbrauchs und Vermeidung von Auswirkungen auf Oberflächengewässer- und/oder Grundwasserstände sowie deren Qualität
  • Vermeidung von Wasserverschmutzung (z.B. Vermeidung von Auswirkungen auf die Wasserqualität durch Abwässer)
  • Vermeidung von Abfällen, insbesondere giftigen
  • Erhalt der Luftqualität durch Vermeidung schädlicher Emissionen
  • Reduzierung der Umweltwirkungen von Transporten (z.B. über Nutzung lokaler/regionaler Rohstoffquellen)

Soziale Standards

Soziale Anforderungen sollen zum Ziel haben, negative soziale Auswirkungen durch die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen zu verhindern. Die Anforderungen im Bereich der sozialen Themen orientieren sich u. a. am Menschenrechtsabkommen und den Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), dem ISEAL Assurance Code und den OECD-Leitlinien für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht.

Folgende Themen sollen angesprochen werden:

  • Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit gemäß ILO-Übereinkommen
  • Einhaltung von grundlegenden ILO-Kernarbeitsnormen und Arbeitsschutzmaßnahmen (Vermeidung von Arbeitsunfällen/Schutz der Arbeiter vor Gefahrenquellen) über die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette
  • Einhaltung von Arbeitsrechten (z. B. Zusicherung eines den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden schriftlichen Arbeitsvertrags), das auch für Subunternehmer gilt
  • Einhaltung von dem Recht auf Vereinigungsfreiheit, Schutz des Vereinigungsrechtes und auf Kollektivverhandlungen gemäß ILO-Übereinkommen 87 und 98
  • Zahlung gleicher Löhne und Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz gemäß ILO-Übereinkommen 100 und 111
  • Erhalt kultureller Werte und Einhaltung der Rechte indigener Völker bzw. der lokalen Bevölkerung. Vermeidung von Nutzungskonflikten und der Gefährdung der Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung durch mögliche negative Auswirkungen der Rohstoffgewinnung, Verarbeitung oder Herstellung von Produkten (Landvertreibungen, Zwangsumsiedlungen sowie Beeinträchtigung der Ernährungssicherung)
  • Umsetzung „ethischen Wirtschaftens“ (wie z. B. Verhinderung von Korruption, Umsetzung fairer Geschäftspraktiken, Einhaltung von Gesetzen)

Fazit

Saubere Lieferketten beim Bau von Gebäuden sind ein wichtiges globales Thema. Wenn Architekten die oft weit verzweigten und intransparenten Lieferketten und deren soziale und ökologische Auswirkungen aktiv kritisch hinterfragen, kann das die Entscheidungen der Hersteller und Händler positiv beeinflussen. Die Transparenz von Lieferketten und standardisierte Herstellerzertifikate/Produktlabels helfen bei der Auswahl von Baustoffen und Bauprodukten. Je früher deren Herkunft und Abbaubedingungen vom Planer berücksichtigt und mit der Bauherrenschaft besprochen werden, desto besser. Praktische Unterstützung finden Sie mit unserer Checkliste.

Weiterführende Informationen:

Verantwortungsbewusste Ressourcengewinnung
Ein Kriterium des DGNB Systems
Übereinkommen 29 – Zwangsarbeit, 1930
Quelle: International Labour Organisation
Übereinkommen 98 – Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949
Quelle: International Labour Organisation
Übereinkommen 105 – Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957
Quelle: International Labour Organisation
Übereinkommen 138 – Mindestalter, 1973
Quelle: International Labour Organisation
Übereinkommen 182 – Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 199
Quelle: International Labour Organisation
OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
Stand: 18. Juni 2020
EU-Verordnung
„Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“.

Dieses Wissen wurde gestiftet von:

Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
2007 gegründet, ist die DGNB heute mit über 2.000 Mitgliedsorganisationen Europas größtes Netzwerk für nachhaltiges Bauen. Ziel des Vereins ist es, Nachhaltigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu fördern und im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu verankern. Mit dem DGNB Zertifizierungssystem hat die unabhängige Non-Profit-Organisation ein Planungs- und Optimierungstool zur Bewertung nachhaltiger Gebäude, Innenräume und Quartiere entwickelt, das dabei hilft, die reale Nachhaltigkeit in Bauprojekten zu erhöhen. Dabei fußt das DGNB System auf einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnis, das die Umwelt, den Menschen und die Wirtschaftlichkeit gleichermaßen einbezieht. Über die Fort- und Weiterbildungsplattform DGNB Akademie wurden zudem bereits rund 8.000 Personen in 45 Ländern zu Experten für nachhaltiges Bauen qualifiziert.

Kontaktanfragen richten Sie bitte an:
E-Mail: a.braune@dgnb.de
Telefon: +49 711 722322-67