Die Bau- und Immobilienbranche spielt für das Erreichen der Klimaneutralitäts-Ziele eine zentrale Rolle. Den Gebäudebestand klimapositiv zu transformieren ist eine ambitionierte Aufgabe. Sie duldet keinen Aufschub und kann nur gemeinsam im Zusammenspiel aller Akteure gelingen.
Vier strategische Ziele mit 15 Handlungsfeldern und 50 Top-Maßnahmen zeigen den Weg zu einem klimapositiven Gebäudebestand. Folgende Publikationen stehen Ihnen zu diesem Thema zur Verfügung:
Maßnahmenprogramm für:
Auswirkungen des Klimawandels sind bereits für viele Menschen wahrnehmbar und sie betreffen Milliarden von Menschen weltweit. Das Klima zu stabilisieren ist die große Aufgabe dieser Dekade: In allen Sektoren sind rasche und tiefgreifende Maßnahmen notwendig, um „Klimaneutralität“ zu erreichen. Die Treibhausgasemissionen müssen umgehend gesenkt und effektive Treibhausgas-Senken aufgebaut werden. Dabei muss die Gesellschaft in den Prozess der erforderlichen Veränderungen eingebunden werden.
In seinem Abschlussbericht warnt der Weltklimarat im März 2023 eindringlich vor den verheerenden Folgen des Klimawandels. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern die sofortige Umsetzung schnell wirksamer und großflächig umsetzbarer Maßnahmen, damit die Auswirkungen des Klimawandels auf unser aller Leben in noch tragbarem Umfang bleiben.
Zwar ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung in der Neufassung des Klimaschutzgesetzes vom Juni 2023 bis spätestens 2045 Treibhausgasneutralität in Deutschland zu erreichen. Berechnungen zeigen jedoch: Je früher wir unsere Treibhausgas-Emissionen und Treibhausgas-Senken in eine Balance bringen, also „Klimaneutralität" erreichen, desto geringer sind die Auswirkungen für unseren Planeten und damit die Folgekosten.
Der Veränderungsdruck steigt: Die „Klimatransformation" muss noch in dieser Dekade, sprich in den 2020er-Jahren, umgesetzt werden und sollte – gemäß des „Carbon Law" von Johan Rockström – mit mindestens einer Halbierung der Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Anfang dieser Dekade enden. Die Zeit drängt also. Wir alle sind aufgefordert – gemeinsam und ein jeder Einzelne – umgehend Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen, welche dazu führen, möglichst schnell die Treibhausgasneutralität zu erreichen.
Bei vorgeschalteten Maßnahmen zur Treibhausgasneutralität können die nachkommenden bereits jetzt vorbereitet und angestoßen werden. Bestehen bei einigen Maßnahmen noch Hürden, müssen diese umgehend abgebaut werden.
Mit dem aktuellen Energieverbrauch des Gebäudebestands könnte eine hundertprozentige Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern nur unter enorm hohen Kosten bei sehr hohen Flächenbedarfen und mit gigantischen Infrastrukturprojekten erreicht werden. Der Anteil erneuerbarer Energien für das Betreiben des Bestands liegt aktuell bei ca. 12 Prozent. Das ist mehr als bescheiden. Zwar weist der Bestand heute noch einen sehr hohen Anteil an energetisch ineffizient betriebenen Gebäuden aus. Hüllflächen und Außenbereiche von Gebäuden bieten jedoch enormes Potenzial für eine energetische Aktivierung, auch über den eigenen Bedarf hinaus. Es wird bislang nur zu wenig genutzt.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche energetische Aktivierung des Bestands:
Die Energiewende für Gebäude bedeutet:
Der Flächenbedarf pro Person ist den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Gleichzeitig haben wir in Deutschland eine durchschnittliche Leerstandsquote von ungefähr 3 Prozent. Auch wurden im Jahr 2020 rund 5.300 Wohngebäude komplett abgerissen. Gleichzeitig ist die Anzahl bzw. die Fläche an Aufstockungen oder Ergänzungen von Gebäuden über die Jahre verschwindend gering. Ein weiterer Aspekt, den es zu ändern gilt, ist, dass Bautätigkeiten heute fast ausschließlich mit einem großen Bedarf an Primärrohstoffen durchgeführt werden. Die Nutzung von Sekundärrohstoffen und Wiederverwendung ist aktuell sehr gering. Gleichzeitig liegt die Materialmasse, die in deutschen Wohngebäuden pro Einwohnenden verbaut wird, bei über 100 Tonnen. Weitere 80 Tonnen werden für alle weiteren Gebäude pro Einwohnenden benötigt.
Das muss sich ändern:
Je früher wir unsere Treibhausgas-Emissionen und Treibhausgas-Senken in eine Balance bringen, also „Klimaneutralität" erreichen, desto geringer sind die Auswirkungen für unseren Planeten und damit die Folgekosten.
Bautätigkeiten im Hochbau, insbesondere die Baustoffindustrie und die Energiewirtschaft, sind ein maßgeblicher Verursacher der nationalen Treibhausgasemissionen. Hinzu kommen ausländische Lieferketten der Rohstoffgewinnung und Wertschöpfung, die in der nationalen Bilanz nicht enthalten sind. Die Emissionen zur Errichtung von Infrastrukturbauten (Tiefbau) wie Straßen, Brücken, Ver- und Entsorgung sind ebenfalls beträchtlich.
Für die meisten Baustoffe, Materialien und Produkte sind die Treibhausgasintensitäten zumindest auf generischer Ebene weitestgehend bekannt. Herstellerspezifische EPDs (Umweltproduktdeklarationen) gibt es aktuell für ca. 1.750127 Baustoffe- und Produkte. Klimapositive Baustoffe und Produkte, also CO2-Senken und CO2-Speicher, gibt es bislang nur im kleinstmaßstäblichen Umfang am Markt.
Die Treibhausgasintensität variiert ja nach Baustoff, Produkt und Hersteller teilweise stark und sollte im Kontext und nicht pauschal bewertet werden. Für eine Bewertung wird die standardisierte Methode der Ökobilanz oder Lebenszyklus-Treibhausgasberechnung verwendet. Pro Jahr werden schätzungsweise, abgeleitet von der Gesamtzahl an Nachhaltigkeitszertifizierungen, einige hundert Treibhausgasberechnungen planungsbegleitend oder als Nachweis in der Ausführungsphase durchgeführt. Leider fließen dabei Baustellenprozesse oder projektspezifische Transporte so gut wie nie in die Betrachtung ein.
Planende können sehr gute klimafreundliche Lösungen erarbeiten, wenn sie die gesamten Optimierungsmöglichkeiten ausnutzen: von der Bedarfsreduktion über zirkuläre und langlebige Strategien bis zu Material sparenden Lösungen und dem Einsatz von Materialien und Produkten mit geringer Treibhausgasintensität.
Forderungen an Hersteller und Planer und Bauherren:
Voraussetzung für einen erfolgreichen Aufbau von CO2-Senken und CO2-Speicherkapazität von Bauwerken sind:
So ist die Gesetzeslage: Klimaschutz für den Gebäudebereich stand in den vergangenen Dekaden nicht im Fokus der Bundespolitik. Vielmehr ging es nur um den rationellen Einsatz von Energie zum Heizen. Seit 2016 sind die Anforderungen nicht verschärft worden, und der damals eingeführte Standard wurde zum „Nahezu-Nullenergie-Standard“ gemäß Europäischer Gebäudeenergierichtlinie (EPBD) erklärt. Erst seit 2020 ist über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) das Ausweisen von Treibhausgasemissionen für den Betrieb von Gebäuden in die Regulierung gekommen. Mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), eingeführt im Jahr 2021, wurde die bisherige energiefokussierte Förderung fortgesetzt. Darin integriert ist eine neue „Nachhaltigkeitsklasse“, die als ein Element eine Begrenzung der Lebenszyklus-CO2-Emissionen fordert und die z. B. mit einem DGNB Zertifikat nachgewiesen werden kann. Für 2023 ist eine stärker klimaschutzorientierte Förderung angekündigt.
Für das Bauen des Bundes gilt seit 2009 die Anwendung des BNB-Systems (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen), welches auch in einigen Bundesländern eingeführt und angewandt wird und Klimaschutzaspekte wie eine Lebenszyklus-CO2-Bilanz beinhaltet.
Auf Landesebene existiert über die Landesbauordnungen und weitere Regelungen ein bunter Flickenteppich an eigenen Vorgaben, dazu kommen landeseigene Förderprogramme.
Auf städtischer und kommunaler Ebene werden einige sehr gute Ansätze verfolgt, mit ambitionierten Satzungen, Leitlinien, Förderungen oder Vorgaben für kommunale Baugesellschaften.
Von europäischer Seite ist die Einführung von verbindlichen Kriterien für die ökologische Beschaffung von Hochbaumaßnahmen geplant. Klimaschutz, Klimaanpassung und Kreislaufwirtschaft stehen dabei wohl im Vordergrund.
Der Finanzsektor hat sich bis auf wenige Ausnahmen in den letzten Jahrzehnten wenig mit dem Thema nachhaltige Immobilienfinanzierung und nachhaltige Portfolios beschäftigt. Erst seit kurzer Zeit ist sehr viel Aktivität zu vermelden, maßgeblich angestoßen durch die „EU Action Plan on Financing Sustainable Growth“ und deren begleitende Vorgaben und Vorhaben.
Die Transformation braucht hoheitlich klar formulierte Ziele, wie im Klimaschutzgesetz (Stand 2023) beschrieben. Und sie braucht begleitende Rahmenbedingungen, mit denen sich der Wandel schnellstmöglich vollziehen kann. Diese politischen und finanziellen Rahmenbedingungen müssen von allen Ebenen geschaffen werden. Das erfordert Kollaboration, Weitsicht und Ehrgeiz von Bund, Ländern, Kommunen und Städten. Für die zur Mobilisation der Transformation erforderlichen finanziellen Mittel sehen wir auch Banken und Versicherer in der Pflicht. Auch sie sind aufgefordert, zielführende klimazielkompatible Angebote oder Vorgaben für eine Mittelvergabe zu machen.